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Betrügerische Billigfilter

29 November, 2007

Der Einbau von etwa 60.000 mangelhaften Nachrüstfiltern in Diesel-Pkw war nicht unvermeidbar.


Bundesregierung muss verlorenes Vertrauen in Filtertechnik wieder herstellen. Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesregierung vor, den Einbau betrügerischer Billigfilter trotz frühzeitiger Erkenntnisse nicht verhindert zu haben - Staatliche Kontrollen sollen künftige
Wiederholungen verhindern - Unwirksame Filter müssen flächendeckend
und zeitnah ausgetauscht werden

Der Einbau von etwa 60.000 mangelhaften Nachrüstfiltern in Diesel-Pkw war nicht unvermeidbar. Er hätte von der Bundesregierung verhindert werden müssen, weil bereits vor über einem Jahr bekannt war, dass technisch unzureichende, zum Teil sogar vollkommen unwirksame Billigfilter am Markt angeboten wurden. Die im Herbst 2006 vorliegenden Untersuchungsergebnisse reichten aus, um
zwischen seriösen und unseriösen Filtern zuverlässig zu
unterscheiden. Das erklärten die Bundesgeschäftsführer der Deutschen
Umwelthilfe, Jürgen Resch und Rainer Baake heute in Berlin in
Reaktion auf eine Pressekonferenz von Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel zum Rußfilterskandal.

Im Einzelnen belegte die DUH, dass das Bundesumweltministerium
bereits vor über einem Jahr über die zum Teil verheerenden Ergebnisse
der Prüfungen von Filtern der Firma GAT unterrichtet war, ohne das
für die Zulassung zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) entsprechend
zu unterrichten. Die Probleme waren am 1. Dezember 2006 sogar
Gegenstand einer internen Anhörung mit allen wesentlichen Anbietern
von Nachrüstfiltern. Gleichzeitig tat das Bundesumweltministerium
alles, damit die Prüfergebnisse nicht an die DUH und damit an die
Öffentlichkeit gelangten. Einzelheiten dazu wurden der DUH, die das
Bundesumweltministerium erstmals am 3. November 2006 um die
Herausgabe der Ergebnisse gebeten hatte, durch umfassende
Akteneinsicht im Rahmen der Untätigkeitsklage bekannt, die am
vergangenen Freitag (23. November 2007) vor dem Verwaltungsgericht
Dessau mit einem Sieg für die Umweltorganisation endete.

Aus den internen Akten, die der DUH durch das Verwaltungsgericht
Dessau zugänglich gemacht wurden, geht hervor, dass sich das
Umweltbundesamt (UBA) aus rechtlichen Gründen dafür aussprach, die
Prüfergebnisse zugänglich zu machen, das Bundesumweltministerium
(BMU) dies jedoch aktiv verhinderte. "Statt den Hinweisen auf
unwirksame Partikelfilter seit dem Herbst 2006 zügig und konsequent
nachzugehen, haben die Verantwortlichen sich monatelang interne
Auseinandersetzungen um die Frage geleistet, ob die Messdaten als
´Ergebnisse´ oder als ´Zwischenergebnisse´ zu werten seien und ob
diese der DUH zugänglich gemacht oder geheim gehalten werden müssen",
kritisierte Baake die merkwürdige Prioritätensetzung. Über diesen
internen Streit hätten es die Verantwortlichen versäumt, "sich um
ihre eigentliche Aufgabe zu kümmern, nämlich den Schutz der
Bevölkerung vor gefährlichen Luftschadstoffen wie Dieselruß."

Nach Überzeugung der DUH hätte der Einbau von etwa 60.000
mangelhaften und großenteils sogar vollkommen unwirksamen
Partikelfiltern bei angemessenem Handeln des Umweltministeriums
verhindert werden können und müssen. Die Filter seien weit
überwiegend erst nach dem Beschluss zur steuerlichen Förderung im
März 2007 eingebaut worden. Baake: "Mit der Behauptung, der
zigtausendfache Einbau untauglicher Filter sei quasi unvermeidbar
gewesen, weil keine belastbaren Informationen vorgelegen hätten,
stellt sich das Umweltministerium selbst ein Armutszeugnis aus."
Baake forderte das Bundesumweltministerium und das für das
Kraftfahrtbundesamt als Zulassungsbehörde zuständige
Bundesverkehrsministerium auf, jetzt endlich konsequent
durchzugreifen, um einen nachhaltigen Schaden für die Umweltpolitik
in Deutschland zu verhindern. Die nachrüstungswilligen Autofahrer
müssten sich in Zukunft sicher darauf verlassen können, dass nur
funktionstüchtige Partikelfilter am Markt zugelassen werden. Vor
allem hätten die Menschen in den mit Feinstaub hoch belasteten
städtischen Gebieten einen Anspruch darauf, "dass der Staat alle
erforderlichen Maßnahmen ergreift um zu verhindern, dass
Dieselfahrzeuge mit Filtern, die nicht filtern, in die Umweltzonen
einfahren."

Resch forderte die Bundesregierung auf, durch schnelle und klare
Entscheidungen den betroffenen Autofahrern zu helfen, dass diese in
einem überschaubaren Zeitraum bis spätestens März 2008 die bei ihnen
eingebauten Betrugsfilter durch funktionierende Systeme ersetzt
bekommen. Eine Selbstverpflichtungserklärung der betroffenen
Filterhersteller und Werkstätten reicht hierzu keinesfalls aus. Wer
nach Ablauf der Umtauschfrist noch immer mit einem Betrugsfilter
unterwegs ist, muss die steuerliche Förderung zurückzahlen und
verliert die Feinstaubplakette. "Wenn die Bundesregierung hier keine
klaren Regelungen beschließt werden die meisten der vom Filterskandal
betroffenen Autohalter auf einen Austausch des Systems verzichten.
Dies wäre nach fünf Jahren härtester Auseinandersetzungen um die
Reduktion der Feinstaubbelastung in den Innenstädten ein Desaster. Es
muss sichergestellt sein, dass dort wo eine Umweltplakette klebt,
auch ein funktionstüchtiger Partikelfilter an Bord ist", sagte Resch.

Um eine Wiederholung dieses Skandals zu verhindern, sei es zudem
notwendig, dass zukünftig vor Erteilung einer "Allgemeinen
Betriebserlaubnis" durch das Kraftfahrtbundesamt eine
Funktionsprüfung durchgeführt wird. Es habe sich gezeigt, dass es
nicht genüge, sich auf die von den Filterherstellern bereitgestellten
Prüfunterlagen zu verlassen. Ausserdem müsse dringend ein amtlicher
Kurztest entwickelt und verbindlich definiert werden. "Es ist ein
unhaltbarer Zustand, dass derzeit jede Überprüfung eines Systems bis
zu 14 Wochen dauert, nur um dann - wie im Falle GAT - festzustellen,
dass die Filterwirksamkeit bei Null liegt. Ein solcher Test geht auch
in zwei Stunden", so Resch.

Schließlich fordert die DUH die Aufnahme einer
Funktionstüchtigkeitsprüfung in die allgemeine Abgasuntersuchung
(AU), mit der im Zwei- bzw. Dreijahresrhythmus alle Pkw überprüft
werden, was bisher nicht geschehe.

Resch belegte im Detail, dass das Bundesumweltministerium bereits
im Oktober 2006 durch die Ergebnisse des in einem schweizerischen
Labor durchgeführten Forschungsvorhabens detailliert darüber
unterrichtet war, dass bestimmte Nachrüstfilter nicht funktionieren.
Darüber gab es über Monate heftige interne Debatten zwischen
Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt und mit den
Filterherstellern, nur wurden daraus keine Konsequenzen gezogen. So
wurde das Kraftfahrtbundesamt als zuständige Zulassungsbehörde nicht
unterrichtet. "Wer heute behauptet, die Ergebnisse hätten nicht
ausgereicht, weil sie sich nicht an dem staatlich festgelegten
Prüfzyklus orientiert hätten, wirft Nebelkerzen und verdreht die
Tatsachen", sagte Resch. Das bereits im Jahre 2005 in Auftrag
gegebene Forschungsvorhaben sei eben nicht als Wiederholung dieser
für die Zulassung vorgeschriebenen Testreihen gedacht gewesen,
sondern um festzustellen, ob die Filter im realen Leben eine
angemessene Filterleistung erbringen. Die dabei zu Tage getretenen
Ergebnisse seien bei dem inzwischen als Betrugsfilter enttarnten
Produkt der Firma GAT schon damals so eindeutig gewesen, dass sofort
das zuständige Kraftfahrtbundesamt hätte informiert werden müssen.
Nur dieses ist im Übrigen für die Erteilung beziehungsweise den
Widerruf der Zulassung dieser Systeme verantwortlich.

Der DUH-Bundesgeschäftsführer verwies insbesondere auf eine vom
BMU anberaumte Einzelanhörung der Filterhersteller, die am 1.
Dezember 2006 als Reaktion auf die offensichtlich erkannten Defizite
bestimmter Filter stattfand. Nur seien aus den Erkenntnissen leider
keine Konsequenzen gezogen worden. Stattdessen habe das BMU den
Forschungsauftrag an das schweizerische Labor in einen
Nachprüfauftrag für den staatlichen Prüfzyklus umwidmen wollen.
Dadurch seien unnötig viele Monate Verzögerung eingetreten, in deren
Verlauf die billigen Betrugsfilter am Markt ihren Siegeszug begannen.
Pressekontakt: E-Mail: resch@duh.de

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