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Steuervorteile - Mindestens 40.000 eingebaute Betrugsfilter

13 November, 2007

Mit einer verfehlten Geheimhaltungspolitik hat es das
Kraftfahrtbundesamt (KBA) spätestens seit Ende September 2007 zugelassen, dass seit dem weiter tausende Besitzer von Diesel-Pkw nichtsahnend mangelhafte oder gänzlich wirkungslose Partikelfilter in ihre Fahrzeuge einbauen ließen.


Wirkung gegen Null: Kraftfahrtbundesamt hält Prüfergebnisse über mangelhafte Dieselfilter zurück. Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht Resultate der KBA-Nachprüfungen von GAT und Bosal-Filtern - Verkehrs- und Umweltministerium verfolgen rechtswidrige "Schwamm-drüber-Strategie": Steuervorteile und Feinstaubplaketten für mindestens 40.000 eingebaute Betrugsfilter sollen weiter gelten - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch: Der Verzicht auf den Widerruf von Betriebserlaubnissen schwächt zivilrechtliche Ansprüche betroffener Autohalter und unterminiert insgesamt das Vertrauen in Diesel-Nachrüstung, Filterplaketten und Umweltzonen.

Mit einer verfehlten Geheimhaltungspolitik hat es das
Kraftfahrtbundesamt (KBA) spätestens seit Ende September zugelassen,
dass seit dem weiter tausende Besitzer von Diesel-Pkw nichtsahnend
mangelhafte oder gänzlich wirkungslose Partikelfilter in ihre
Fahrzeuge einbauen ließen. Dies geschah, obwohl die dem
Verkehrsministerium unterstellte Zulassungsbehörde nach eigenen
Angaben erstmals Mitte August durch Veröffentlichungen der Deutschen
Umwelthilfe (DUH) auf mangelhafte Filtersysteme aufmerksam gemacht
worden war.

Nach Informationen der DUH lagen dem KBA bereits seit Ende
September 2007 erste katastrophale Messergebnisse für untersuchte
Nachrüstfilter vor. Dennoch verzichtete die Behörde auf die rechtlich
gebotene, korrekte Information der Öffentlichkeit und auf den
ausdrücklichen Widerruf der "Allgemeinen Betriebserlaubnis" (ABE) für
die durchgefallenen und andere baugleiche Nachrüstsysteme. Das KBA
reagierte auch nicht, als die betroffenen Filterhersteller die
Öffentlichkeit später mit offensichtlichen Fehlinformationen
versorgte. GAT hatte beispielsweise angegeben, die ABEs seiner bei
den Tests durchgefallenen Filter "freiwillig" zurückgegeben zu haben,
weil ihnen ein "Formfehler" unterlaufen sei. Man habe es versäumt
"Modifikationen" der Filtersysteme dem KBA zu melden.

Tatsächlich ergaben nach DUH-Informationen die vom KBA
veranlassten, bisher aber unter Verschluss gehaltenen Nachprüfungen
beim Prüfinstitut TÜV Nord die Wirkungslosigkeit der GAT-Filter. Die
Vorgabe der Straßenverkehrsvollzugsordnung (StVZO), wonach mindestens
30 Prozent des Feinstaubs durch die Filter reduziert werden müssen,
würde "erheblich verfehlt", heißt es in den dem KBA vorliegenden
Ergebnissen. Konkret: Die Filterwirksamkeit von 24.000 in Diesel-Pkw
eingebauten Systemen der Firma GAT (bzw. baugleicher Systeme des
Unternehmens Tenneco/Walker) gehen danach in ihrer Wirkung nach
Aussagen des KBA "gegen Null". Zudem seien die Antragsunterlagen zur
Erlangung der entsprechenden ABE offensichtlich manipuliert worden.
Wegen dieses Verdachts hat das KBA die Staatsanwaltschaft Essen wegen
GAT sowie eine weitere Staatsanwaltschaft wegen des beteiligten
Prüfinstituts eingeschaltet. Bei den "übrigen Systemen", die im
Auftrag des KBA untersucht wurden, liegt die Filterwirkung nach den
Prüfergebnissen des TÜV Nord bei "rund 10% bis maximal 20%".

Auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) hat die DUH
beim KBA und beim Bundesministerium für Verkehr, Bau,
Stadtentwicklung (BMVBS) heute die Herausgabe der kompletten
Prüfergebnisse beantragt und Aufklärung darüber erbeten, wann KBA und
Ministerium erste Teilergebnisse über das verheerende Abschneiden
der Billigfilter vorgelegen haben.

Die Unterdrückung schlechter Testergebnisse habe in diesem
Zusammenhang leider Tradition, erklärte die DUH. Bereits seit
November 2006 versuchen die Umweltschützer, Einsicht in ein im
Auftrag des BMU angefertigtes Gutachten mit dem Titel "Messtechnische
Untersuchung offener Partikelminderungssysteme" zu erhalten. Eine im
Frühjahr 2007 zunächst durch den Präsidenten des Umweltbundesamtes
Andreas Troge erteilte Zustimmung zur beantragten Einsichtnahme,
wurde nach einer gegenteiligen Weisung des Bundesumweltministeriums
aufgehoben. Daraufhin klagte die DUH bereits im Mai 2007 auf
Herausgabe der Unterlagen vor dem Verwaltungsgericht Dessau im Rahmen
einer sogenannten "Untätigkeitsklage". Das Verfahren dauert an.

Nach Informationen der DUH enthält dieses Gutachten eines
schweizerischen Prüfinstituts ebenfalls kritische Prüfergebnisse
bestimmter Nachrüst-Filtersysteme u. a. zu GAT. Sie wurden jedoch
unter Verschluss gehalten und auch nicht dem KBA übermittelt. Wohl
auch deshalb unterblieben frühzeitige Nachprüfungen, wie sie nun -
verspätet - im Sommer 2007 durchgeführt wurden. "Sollte sich
herausstellen, dass dem Bundesumweltministerium bereits vor einem
Jahr bekannt war, dass bestimmte Nachrüstfilter nicht ordnungsgemäß
funktionieren, dann hat Sigmar Gabriel angesichts von mindestens
40.000 betrogenen Fahrzeughaltern ein ernstes Problem", so
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Nach Recherchen der DUH droht den betroffenen Besitzern von
Diesel-Pkw dann großer Ärger, wenn sich Bundesverkehrs- und
Bundesumweltministerium auf eine Lösung des Problems verständigen,
die auf die ausdrückliche "Rücknahme" der Allgemeinen
Betriebserlaubnis für die bereits eingebauten Betrugsfilter durch das
KBA verzichtet. Eine solche, derzeit in beiden Häusern favorisierte
"Schwamm-drüber-Lösung" würde nicht nur das Vertrauen in die
Aussagekraft der Feinstaubplaketten zerstören (mindestens 40.000
Diesel-Pkw könnten dann trotz mangelnder Filterwirkung mit
entsprechender Plakette in künftige Umweltzonen einfahren), sondern
wäre auch geeignet die für die Feinstaub-Entlastung dringend
erforderliche Filternachrüstung insgesamt in Misskredit zu bringen.
Der Verzicht auf eine formale Rücknahme der ABE würde darüber hinaus
die zivilrechtlichen Ansprüche betroffener Autohalter auf Wandlung
oder Schadensersatz schwächen. Nur bei einem rückwirkenden Wegfall
der ABE wäre die Beweisführung des so genannten "Sachmangels" im
Streitfall klar. Andernfalls müsste jeder Pkw-Halter in seinem
konkreten Einzelfall beweisen, dass der verbaute Filter mangelhaft
ist. Damit wäre absehbar, dass die meisten Betroffenen auf den ihnen
rechtlich ohne Mehrkosten zustehenden Austausch des Betrugsfilters
durch ein wirksames System verzichten würden. Denn trotz mangelnder
oder ganz fehlender Filterwirkung sollen die mit dem Einbau
verbundenen Begünstigungen - Steuerentlastung und günstige
Feinstaubplakette - in diesem Fall Bestand haben.

Für den Fall, dass sich die Bundesregierung dennoch für die
nachträgliche Legalisierung der verbauten Betrugssysteme entscheidet,
prüft die DUH rechtliche Schritte. Die "Schwamm-drüber-Lösung" wäre
nach einer ersten juristischen Prüfung eindeutig rechtswidrig: Basis
für diese eindeutige Rechtsauffassung ist das
Kraftfahrzeugsteuergesetz (KfzStG), in dessen § 3c die
Steuerbefreiungen geregelt sind. Danach besteht eine zwingende
Pflicht zur Neufestsetzung der Steuer, wenn die Voraussetzungen einer
Steuerbefreiung nicht mehr vorliegen. Laut § 12 Abs. 2 Nr. 2 KfzStG
gilt: "Die Steuer ist neu festzusetzen, wenn die Voraussetzungen für
eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung (...) wegfallen oder wenn
nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen nicht
vorgelegen haben oder nicht vorliegen." Die Bestimmung ist bindendes
Recht, einen Ermessensspielraum gibt es nicht.

"Wer vorgibt, zum ´Schutz der Umwelt und der Verbraucher´ gewährte
Begünstigungen unangetastet lassen zu wollen, handelt nach unserer
Rechtsauffassung eindeutig rechtswidrig. Er verfügt nach
Gutsherrenart über den Staatshaushalt. Auch wenn die Finanzbehörden
abschließend über den Vorgang zu entscheiden hätten, käme eine
ministerielle Verfügung dieses Inhalts einer Aufforderung zur Untreue
über den Haushalt gleich. Strafrechtler nennen dies
"Haushaltsuntreue". Der BGH hat die Strafbarkeit schon vor mehr als
20 Jahren klargestellt", sagte Resch.

Somit sei die Neufestsetzung der Steuer für die Betroffenen in
jedem Falle unumgänglich. Nach Rechtsauffassung der DUH wäre es
deshalb "zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt" zwingend
notwendig, dass die Verantwortlichen die Betroffenen über die
Vorgänge so offen und deutlich wie möglich informieren. Mit der
Ankündigung über die Steuerneufestsetzung müssten die Fahrzeughalter
über ihre zivilrechtlichen Ansprüche aufgeklärt und entsprechend
unterstützt werden. In den meisten Fällen würden ohne Mehrkosten von
der Einbauwerkstatt ordnungsgemäß funktionierende Filter mit
fortbestehender Betriebserlaubnis eingebaut - Steuervergünstigung und
Feinstaubplakette hätten Bestand. Resch: "Zur Durchsetzung einer
umfassenden Umrüstung von Betrugsfiltern auf funktionierende Systeme
benötigen die Betroffenen dringend die Unterstützung der Behörden:
Dazu muss das Kraftfahrtbundesamt jetzt einen klaren Schnitt machen
und die Betriebserlaubnisse aller Betrugsfilter aktiv widerrufen.
Danach muss umfassend informiert werden, damit die Nachrüstung für
die betroffenen Autohalter und für die unter hohen
Feinstaubbelastungen leidenden Menschen doch noch ein Erfolg wird."
Pressekontakt: E-Mail: resch@duh.de

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