Ungeliebte Biokraftstoffe
07 Dezember, 2008
Bis 2010 will die Politik den CO2-Ausstoß in Deutschland um 254 Millionen Tonnen senken. Zu einem Drittel – 85 Millionen Tonnen – soll das Ziel per Bioenergie erreicht werden.
Wenn heute von Bioenergie die Rede sei, so stecke gewöhnlich eine positive Nachricht dahinter. Bei Biokraftstoffen treffe das nicht unbedingt zu, klagte der Vorsitzende der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen, Dr. Klaus Kliem, gleich zu Beginn der Pressekonferenz anlässlich des 6. Internationalen Fachkongresses für Biokraftstoffe im Berliner ICC.
Dass am Gedankenaustausch nicht 800 Delegierte wie beim vorangegangenen Kongress, sondern beim diesjährigen 6. Internationalen Fachkongress für Biokraftstoffe lediglich 600 Delegierte teilnahmen, hat greifbare Ursachen, die die Veranstaltung durchaus aufdeckte. Der Bundesverband BioEnergie e.V. (BBE) und die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen als Veranstalter konstatierten, dass "aktuelle politische Richtungsweisungen der Politik für die Sparte der Biotreibstoffe alles andere als logisch und nicht nachvollziehbar" seien.
Im vergangenen Jahr sei man "von einer Kampagne gegen die Biokraftstoffe regelrecht überrollt" worden, wollte der BBE-Vorstandsvorsitzende Helmut Lamp, Mitglied des Bundestages, festgehalten wissen. Vergleichbares habe er noch nicht erlebt. Solches Urteil lässt Schlimmes vermuten. Die Öffentlichkeit, sagt er, sei mit angeblichen Bioenergieproblemen regelrecht zugeschüttet worden. "Phantomdiskussionen" hätten sich aneinandergereiht – "ausschließlich mit dem Ziel, den schnell wachsenden Biokraftstoffmarkt auszubremsen".
Da seien abgebrannte und gerodete Regenwälder ins Spiel gebracht worden, die Palmenplantagen weichen müssten, um Palmöl für die Produktion von Biokraftstoffen zu gewinnen. Dass Palmöl seit Langem für die Kosmetikbranche und die Margarineindustrie unverzichtbar sei, werde einfach unterschlagen. Auch an den knapper werdenden landwirtschaftlich nutzbaren Anbauflächen, am zunehmenden Nahrungsmittelmangel und Hunger in der Welt sei die Gewinnung von Bioenergie schuld, werde argumentiert.
Lamp hält der forcierten Kampagne gegen Biokraftstoffe mit derlei Vorhaltungen – auch in den Medien – entgegen, dass weltweit Hunderte Millionen Hektar Ackerland brachlägen und sich die Agrarproduktion in vielen Staaten auf dem Niveau des Mittelalters bewege. Und: Noch vor einem Jahr seien sogar Prämien für Flächenstilllegungen gezahlt worden, um Überschussproduktionen in der EU zu vermeiden! Die in diesem Zusammenhang geführte Debatte "Teller oder Tank" sei unsinnig. Heißen müsse es zutreffenderweise "Teller und Tank".
Bis 2010 wolle die Politik den CO2-Ausstoß in Deutschland um 254 Millionen Tonnen senken. Zu einem Drittel – 85 Millionen Tonnen – soll das Ziel per Bioenergie erreicht werden. Ohne Rücksicht auf solche Erwartung schicke sich die Regierungskoalition jedoch an, "den Biotreibstoffen das Wasser abzugraben". Aufgrund der "Besteuerung von biogenen Reinkraftstoffen" habe sich die Zahl der Biodieseltankstellen in Deutschland bereits mehr als halbiert – von 1.900 auf weniger als 900!
Von den etwa 50 Anlagen zur Produktion von Biokraftstoff hätten inzwischen etwa 20 Prozent stillgelegt werden müssen, sagt Lamp. Deutsche Spediteure würden wegen der hohen Spritpreise hierzulande – wenn irgend möglich – im benachbarten Ausland tanken; laut Information des Speditionsgewerbes für annähernd zwei Milliarden Euro jährlich. Zu Zeiten preiswerten Biotreibstoffs sei das noch ganz anders gewesen. Damals hätten ausländische Fuhrunternehmer bereits begonnen, ihre Motoren auf Biosprit umzurüsten, um in Deutschland tanken zu können. "Mit diversen Vorteilen für unseren Finanzminister", setzt Lamp hinzu. Doch nach der Besteuerung (bei Biodiesel derzeit 15 Cent pro Liter) und begrenzenden Quoten setze sich der Druck auf die Biokraftstoffbranche fort.
Das Vertrauen von Tausenden mittelständischen Unternehmen – Landwirten, Maschinen- und Anlagenbauern, Kraftstoffproduzenten, Tankstellenbesitzern und Spediteuren – in die Politik werde "schwer erschüttert". So könnten im Übrigen auch der Autoindustrie keine Anreize vermittelt werden, über biokraftstofftaugliche Motoren die CO2-Emissionen ihrer Flotten zu senken.
Von der Politik erwartet die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP), die Rahmenbedingungen für einen nachhaltig gesicherten Absatz von Biokraftstoffen auf eine für Investoren langfristig verlässliche Basis zu stellen. Ab 2009, fordert der UFOP-Vorsitzende Kliem, müssten auf Basis der geänderten europäischen Norm für Dieselkraftstoff herkömmlichem Dieselkraftstoff flächendeckend sieben Volumenprozent Biodiesel beigemischt werden können.
Damit ließen sich – bei einem geschätzten Dieselverbrauch von 150 Millionen Tonnen – über solche Beimischung bereits elf Millionen Tonnen Biodiesel absetzen. Überhaupt nicht zu verstehen sei die Änderung der Förderung von Biokraftstoffen auf Beschluss des Bundeskabinetts. Danach ist es vorgesehen, die Gesamtquote bis 2012 auf acht Prozent zu steigern, im Zeitraum 2012 bis 2014 aber auf 6,25 abzusenken.
Schließlich erinnerte Kliem daran, dass die Verwendung von Biokraftstoffen auf die CO2-Verminderungsverpflichtung der Autobranche angerechnet werden müsste. Dadurch wiederum entstehe "der Anreiz, motortechnische Voraussetzungen für den Marktzugang von E10 und B10 zu schaffen". Gemeint sind damit Ethanol und Biodiesel.
Bei der europäischen und deutschen Biokraftstoffstrategie scheint in der Tat allerhand durcheinandergekommen zu sein. Auf bedauerliche Missverständnisse lassen sich die Sachverhalte nicht reduzieren. Von "absolut verfehlter Politik" ist die Rede, von anhaltenden Uneinigkeiten und dringendem Nachbesserungsbedarf. Die auf dem Kongress gehaltenen Statements sollen allen Bundestagsabgeordneten übermittelt werden, auf dass das Thema nicht nur die Biokraftstoffbranche beschäftige. ar/PS/w.riedel
Dass am Gedankenaustausch nicht 800 Delegierte wie beim vorangegangenen Kongress, sondern beim diesjährigen 6. Internationalen Fachkongress für Biokraftstoffe lediglich 600 Delegierte teilnahmen, hat greifbare Ursachen, die die Veranstaltung durchaus aufdeckte. Der Bundesverband BioEnergie e.V. (BBE) und die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen als Veranstalter konstatierten, dass "aktuelle politische Richtungsweisungen der Politik für die Sparte der Biotreibstoffe alles andere als logisch und nicht nachvollziehbar" seien.
Im vergangenen Jahr sei man "von einer Kampagne gegen die Biokraftstoffe regelrecht überrollt" worden, wollte der BBE-Vorstandsvorsitzende Helmut Lamp, Mitglied des Bundestages, festgehalten wissen. Vergleichbares habe er noch nicht erlebt. Solches Urteil lässt Schlimmes vermuten. Die Öffentlichkeit, sagt er, sei mit angeblichen Bioenergieproblemen regelrecht zugeschüttet worden. "Phantomdiskussionen" hätten sich aneinandergereiht – "ausschließlich mit dem Ziel, den schnell wachsenden Biokraftstoffmarkt auszubremsen".
Da seien abgebrannte und gerodete Regenwälder ins Spiel gebracht worden, die Palmenplantagen weichen müssten, um Palmöl für die Produktion von Biokraftstoffen zu gewinnen. Dass Palmöl seit Langem für die Kosmetikbranche und die Margarineindustrie unverzichtbar sei, werde einfach unterschlagen. Auch an den knapper werdenden landwirtschaftlich nutzbaren Anbauflächen, am zunehmenden Nahrungsmittelmangel und Hunger in der Welt sei die Gewinnung von Bioenergie schuld, werde argumentiert.
Lamp hält der forcierten Kampagne gegen Biokraftstoffe mit derlei Vorhaltungen – auch in den Medien – entgegen, dass weltweit Hunderte Millionen Hektar Ackerland brachlägen und sich die Agrarproduktion in vielen Staaten auf dem Niveau des Mittelalters bewege. Und: Noch vor einem Jahr seien sogar Prämien für Flächenstilllegungen gezahlt worden, um Überschussproduktionen in der EU zu vermeiden! Die in diesem Zusammenhang geführte Debatte "Teller oder Tank" sei unsinnig. Heißen müsse es zutreffenderweise "Teller und Tank".
Bis 2010 wolle die Politik den CO2-Ausstoß in Deutschland um 254 Millionen Tonnen senken. Zu einem Drittel – 85 Millionen Tonnen – soll das Ziel per Bioenergie erreicht werden. Ohne Rücksicht auf solche Erwartung schicke sich die Regierungskoalition jedoch an, "den Biotreibstoffen das Wasser abzugraben". Aufgrund der "Besteuerung von biogenen Reinkraftstoffen" habe sich die Zahl der Biodieseltankstellen in Deutschland bereits mehr als halbiert – von 1.900 auf weniger als 900!
Von den etwa 50 Anlagen zur Produktion von Biokraftstoff hätten inzwischen etwa 20 Prozent stillgelegt werden müssen, sagt Lamp. Deutsche Spediteure würden wegen der hohen Spritpreise hierzulande – wenn irgend möglich – im benachbarten Ausland tanken; laut Information des Speditionsgewerbes für annähernd zwei Milliarden Euro jährlich. Zu Zeiten preiswerten Biotreibstoffs sei das noch ganz anders gewesen. Damals hätten ausländische Fuhrunternehmer bereits begonnen, ihre Motoren auf Biosprit umzurüsten, um in Deutschland tanken zu können. "Mit diversen Vorteilen für unseren Finanzminister", setzt Lamp hinzu. Doch nach der Besteuerung (bei Biodiesel derzeit 15 Cent pro Liter) und begrenzenden Quoten setze sich der Druck auf die Biokraftstoffbranche fort.
Das Vertrauen von Tausenden mittelständischen Unternehmen – Landwirten, Maschinen- und Anlagenbauern, Kraftstoffproduzenten, Tankstellenbesitzern und Spediteuren – in die Politik werde "schwer erschüttert". So könnten im Übrigen auch der Autoindustrie keine Anreize vermittelt werden, über biokraftstofftaugliche Motoren die CO2-Emissionen ihrer Flotten zu senken.
Von der Politik erwartet die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP), die Rahmenbedingungen für einen nachhaltig gesicherten Absatz von Biokraftstoffen auf eine für Investoren langfristig verlässliche Basis zu stellen. Ab 2009, fordert der UFOP-Vorsitzende Kliem, müssten auf Basis der geänderten europäischen Norm für Dieselkraftstoff herkömmlichem Dieselkraftstoff flächendeckend sieben Volumenprozent Biodiesel beigemischt werden können.
Damit ließen sich – bei einem geschätzten Dieselverbrauch von 150 Millionen Tonnen – über solche Beimischung bereits elf Millionen Tonnen Biodiesel absetzen. Überhaupt nicht zu verstehen sei die Änderung der Förderung von Biokraftstoffen auf Beschluss des Bundeskabinetts. Danach ist es vorgesehen, die Gesamtquote bis 2012 auf acht Prozent zu steigern, im Zeitraum 2012 bis 2014 aber auf 6,25 abzusenken.
Schließlich erinnerte Kliem daran, dass die Verwendung von Biokraftstoffen auf die CO2-Verminderungsverpflichtung der Autobranche angerechnet werden müsste. Dadurch wiederum entstehe "der Anreiz, motortechnische Voraussetzungen für den Marktzugang von E10 und B10 zu schaffen". Gemeint sind damit Ethanol und Biodiesel.
Bei der europäischen und deutschen Biokraftstoffstrategie scheint in der Tat allerhand durcheinandergekommen zu sein. Auf bedauerliche Missverständnisse lassen sich die Sachverhalte nicht reduzieren. Von "absolut verfehlter Politik" ist die Rede, von anhaltenden Uneinigkeiten und dringendem Nachbesserungsbedarf. Die auf dem Kongress gehaltenen Statements sollen allen Bundestagsabgeordneten übermittelt werden, auf dass das Thema nicht nur die Biokraftstoffbranche beschäftige. ar/PS/w.riedel
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